Das innere Verstehen: Joh 10, 22-30

 

22In Jerusalem fand das Tempelweihfest statt. Es war Winter,

 

23und Jesus ging im Tempel in der Halle Salomos auf und ab.

 

24Da umringten ihn die Juden und fragten ihn: Wie lange noch willst du uns hinhalten? Wenn du der Messias bist, sag es uns offen!

 

25Jesus antwortete ihnen: Ich habe es euch gesagt, aber ihr glaubt nicht. Die Werke, die ich im Namen meines Vaters vollbringe, legen Zeugnis für mich ab;

 

26ihr aber glaubt nicht, weil ihr nicht zu meinen Schafen gehört.

 

27Meine Schafe hören auf meine Stimme; ich kenne sie, und sie folgen mir.

 

28Ich gebe ihnen ewiges Leben. Sie werden niemals zugrunde gehen, und niemand wird sie meiner Hand entreißen.

 

29Mein Vater, der sie mir gab, ist größer als alle, und niemand kann sie der Hand meines Vaters entreißen.

 

30Ich und der Vater sind eins.

 

 

Der Tempel

 

Ort der Präsenz Gottes. Feier der Neueinweihung des Tempels durch Judas Makkabäus.

 

 

Der Messias – der Gesalbte Gottes

 

Jesus wandelt im Tempel. Das Wort, die lebendige Präsenz Gottes selbst, die sich im Tempel aufhält. Er wandelt in der Halle Salomos – der Weise unter den Königen. Jesus selbst verkündet die absolute Weisheit, die Wahrheit. Er ist das Wort.

 

 

Damit sie verstehen und doch nicht verstehen (nach Mt 13,13)

 

Er wird bedrängt. Die Umstehenden wollen Gewissheit, ob Jesus der Messias sei. Er verweist wie schon oft auf die Zeichen: die Heilungen, die Totenauferweckungen.

 

Doch ihr Herz scheint verschlossen. Sie benötigen äussere Zeichen, Gewissheit, weil die Innenschau fehlt. Wenn ich innerlich voll bin, beispielsweise fixe Glaubensvorstellungen habe, dann kann ich nicht richtig sehen, dann werde ich blind für das, was bereits vor mir liegt. Daher können sie nicht glauben, d.h. vertrauen, selbst wenn Jesus die Wunder vollbringt. Sie können nicht sehen, weil sie voll sind von Konzepten und Ideen über den Messias.

 

 

Meine Schafe hören auf meine Stimme; ich kenne sie, und sie folgen mir.

 

Wieder ist die Rede vom Guten Hirten wie beim Evangelium vom letzten Sonntag in Joh 10, 11-18.

 

Was heisst es: zu seinen Schafen zu gehören. Ist die Herde mit der Kirche gleichzusetzen?

 

Einige würden dies positiv beantworten, wenn es darum geht, Jesus zu bekennen, wenn das Heil allein an die Taufe gebunden wird.

 

Von einem eher mystischen Standpunkt aus, müssen wir dies aber verneinen, wenn es darum geht, Jesus in seinem Handeln zu folgen, innerlich mit seinem Geist verbunden zu sein. Dann gehören auch Menschen zu seiner Herde, die nicht explizit getaufte Christ*innen sind, aber in seinem Sinne leben und handeln («die andere Herde»). Sie spüren, dass in der Begegnung mit Jesus, eine letztgültige Wahrheit präsent ist. Das ist ein innerer Vollzug, ein inneres Verstehen und Sehen, dass man nicht erklären kann.

 

Setzt innere Offenheit, Bereitschaft voraus. Sich frei zu machen von theologischen Konzepten und voreingenommenen Ideen. Gerade Menschen am Rand, die nichts mehr zu verlieren haben, oft auch ausserhalb der eigenen Religionsgemeinschaften stehen, haben diese innere Offenheit, diese innere Leere, um Jesus anzunehmen.

 

 

Niemand kann sie der Hand des Hirten entreissen

 

Es existiert eine tiefere Bindung zwischen Meister und Jünger. Ein inneres Band, das besteht und das nicht zerrissen werden kann, wenn diese innere Verbundenheit existiert. Sie kommt auch ohne Worte aus.

 

 

Mein Vater, der sie mir gab

 

Bleibt ein Geheimnis, Jesus innerlich verstehen zu können. Diese innere Offenheit zu haben, fixe Vorstellungen hinter sich zu lassen und sich ganz auf den Weg Jesu einzulassen. Den Weg könnten alle gehen, aber manche lassen sich durch äussere Umstände oder eben diese fixe Ideen daran hindern. Manche haben Angst, religiöse Vorstellungen hinter sich zu lassen. Sie können nicht glauben wie die Umstehenden, die Jesus nach dem Zeichen fragen.

 

 

Der Vater und ich sind eins

 

Durch die innere Verbundenheit mit Jesus («wie ich den Vater kenne», «ich kenne die Meinen») sind wir auch hineingenommen in die Einheit zwischen Vater und Sohn. Jesus identifiziert sich mit dem Vater. Er ist das Bild des Vaters. Provokativ ausgedrückt: in dieser mystischen Verbundenheit mit Jesus, können nicht auch wir sagen: Der Vater und ich sind eins?

 

 

 

 

 

Der wahrhaftige Hirt - Lebenshingabe: 1 Petr 2,21-25

 

Dazu seid ihr berufen worden; denn auch Christus hat für euch gelitten und euch ein Beispiel gegeben, damit ihr seinen Spuren folgt. Er hat keine Sünde begangen und in seinem Mund war keine Falschheit. Als er geschmäht wurde, schmähte er nicht; als er litt, drohte er nicht, sondern überließ seine Sache dem gerechten Richter. Er hat unsere Sünden mit seinem eigenen Leib auf das Holz des Kreuzes getragen, damit wir tot sind für die Sünden und leben für die Gerechtigkeit. Durch seine Wunden seid ihr geheilt. Denn ihr hattet euch verirrt wie Schafe, jetzt aber habt ihr euch hingewandt zum Hirten und Hüter eurer Seelen.

 

 

Denn ihr hattet euch verirrt wie Schafe…….

 

Orientierungslosigkeit

 

Die Welt des Internets und der Sozialen Medien

 

Reizüberflutung, verrückte Videos zur Lebenshilfe, Podcasts, Inhalte.

 

Eine Überfülle an Informationen, die man gar nicht mehr verarbeiten kann.

 

Alles steht unverbunden nebeneinander. Wahrheit und Lüge.

 

Fake News.

 

Die reale Welt da draussen

 

Ich bin überfordert

 

Geschüttelt von Krisen, Kriegen, Katastrophen, Krankheiten, wie ich gehe ich damit um? Die Corona-Krise - noch nicht lange her, scheint bereits vergessen, dumpfe Ahnungen, Unverarbeitetes.

 

Überflutung mit neuen Katastrophen, mein Inneres kommt nicht zur Ruhe. Wo steht das Individuum? Kontrollverlust.

 

Kann ich noch bestimmen wie mein Leben verläuft? Oder haben bereits Andere die Kontrolle übernommen? Eine KI vielleicht?

 

Zuflucht

 

Zuflucht durch Kontrolle

 

Zuflucht durch Kontrolle meiner Gedanken – Manifestation. Ein neuer spiritueller Trend. Ich erdenke und erwünsche mir das Glück selbst. Ich kann im Leben alles erreichen, wenn ich nur die Schwingungen des Universums zu nutzen weiss: Geld, Berühmtheit, die richtige Partnerschaft. – so auf Tiktok

 

Zuflucht durch Kontrolle meiner Lebensumstände

 

Hauptsache, mir geht es gut. Ich brauche Übersicht und einfache Antworten. Meine Ängste und Unsicherheiten im alltäglichen Leben werden nicht wahrgenommen. Ich kann ohnehin nichts ändern. Die Anderen sind Schuld: Politiker, Ausländer, linke Klimaaktivisten. Haben einige rechte Politiker*innen nicht recht mit ihrer Kritik? Bräuchten wir nicht einen starken Mann oder eine starke Frau an der Spitze wie in einigen autokratischen Staaten? – so eine vermehrt verbreitete Meinung

 

Ich bin der gute Hirte

 

Ich kenne die Meinen und die Meinen kennen mich, ruft Jesus uns zu.

 

Er zeigt uns einen anderen Weg, eine andere Zuflucht. Die Zuflucht des Vertrauens und des Loslassens. Ich muss keine äussere Sicherheit suchen, sie ist mir bereits geschenkt.

 

Ich bin der gute Hirte, der sein Leben hingibt für seine Schafe…

 

Es ist der Weg der Hingabe im Leben, aber auch die Bereitschaft sein Leben hinzugeben für seine Freunde. Ein Weg völliger Entäusserung seiner Selbst. Er suchte nicht die Sicherheit in äusseren Dingen. Derjenige, der ihm die Sicherheit und damit die innere Freiheit gab, war Gott selbst: wie mich der Vater kennt und ich den Vater kenne. Diese Beziehung gab ihm Halt im Leben, frei von Angst. Innerlich unabhängig von äusseren Umständen, musste er nicht fürchten, etwas zu verlieren und war frei, sich anderen zu widmen, Solidarität und Gerechtigkeit zu üben, und nicht damit beschäftigt, ein vermeintlich äusseres Glück schmiden zu müssen.

 

Durch seine Wunden seid ihr geheilt

 

Ein Leben aus dem Vertrauen heraus bedeutet auch angenommen sein so wie man ist: wie mich der Vater kennt und ich den Vater kenne. Völlige Hingabe und Entäusserung bedeutet auch völlige Annahme des Leidens, der Dunkelheit, der Ohnmacht und der Schwäche: Als er geschmäht wurde, schmähte er nicht; als er litt, drohte er nicht… In der Haltung des Loslassens in Gott, hat er sich nicht gescheut, sich verwunden zu lassen. In ihm dürfen auch wir unsere Wunden berühren. Er hat unseren Hass, unsere Verblendung, unsere Gewalt und Diskriminierung getragen und uns einen anderen Weg gezeigt, auf dessen Spuren wir wandeln dürfen.

 

 

 

 

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Pfarrerin Birgit Leisegang